Plenarveranstaltungen


Dienstag 07.10.14

Mittwoch 08.10.14

Donnerstag 09.10.14

Gewalt und Krieg

Disruptiver sozialer Wandel

Soziologie der Krise

Krise (in) der Öffentlichkeit

Die Eurokrise: Herausforderung der Moderne

Akteure (in) der Krise

Die Zukunft der Zukunft: Zeitstrukturen und Zeithandeln im Wandel

Krisenfeste Individuen? Zur Relevanz und Kritik normativer Subjektperspektiven

Die Krise des Mittel-Maßes

 

Plenum I - Gewalt und Krieg (Dienstag, 07.10.2014)

Gewalt und Krieg gelten gemeinhin als Ausnahmezustand von Sozialität. Sie werden als eruptive Unterschreitung gewonnener und ansonsten akzep­tier­­­ter gesellschaftlicher Standards erachtet, die massive ? individuelle, in­sti­­­tu­tio­nel­le, gesamtgesellschaftliche ? Krisen verursacht und/oder selbst Aus­­druck eben­solcher Krisen ist. Krieg und Gewalt gelten zudem als anti-so­zial, in­so­fern sie nicht nur menschliches Leben beschädigen oder ver­nich­ten, son­dern auch lebensweltliches und institutionelles Vertrauen zer­stö­ren. An­der­er­seits kann nicht übersehen werden, dass im Zuge von Ge­walt und Krie­gen ge­sell­schaft­liche Routinen auf der Mikro- wie der Makro­ebene ent­stehen. Gewalt z.B. kann als Moment der Vergemeinschaftung ri­tua­lisiert, struk­turell ver­­ge­schlechtlicht sein oder als Ausdruck der sozialen »Or­dnungs­wut« (Zyg­munt Bau­man) moderner Gesellschaften verstanden wer­den.

Das Plenum will die soziologische Debatte zu Gewalt und Krieg im Kon­text einer kritischen Diskussion der Krisensemantik führen und dabei mög­­lichst vielfältige theoretische wie empirische sowie heuristische Per­spek­­tiven miteinander ins Gespräch bringen.

Beiträge Gewalt - ein systematisch notwendiges Element einer allgemeinen Theorie sozialer Ordnungsbildung
Gesa Lindemann (Oldenburg)
Die intrinsische Sozialität des Folteraktes
Frithjof Nungesser (Graz)
Jenseits des Ausnahmezustands. Veralltäglichungsprozesse im Bürgerkrieg
Teresa Koloma Beck (Berlin)
Der Fußabdruck gesellschaftlicher Ordnung in Kriegen: Der Schutz von Zivilisten und die Angst vor toten Soldaten
Barbara Kuchler (Oldenburg)
Kann Gewalt legitim werden? Zum Zusammenhang von kriegerischer Gewalt und Staatsbildung gestern und heute
Klaus Schlichte (Bremen)
Organisation Katharina Inhetveen (Siegen), Thorsten Bonacker (Marburg)
Raum HS 3
Uhrzeit 9.00 - 12.00

Plenum II - Disruptiver sozialer Wandel (Mittwoch, 08.10.2014)

Viele Soziologinnen und Soziologen scheinen sich daran gewöhnt zu ha­ben, sozialen Wandel als lang­same und bisweilen sogar in ihrer Ge­mäch­lich­keit kaum mehr wahrnehm­ba­re Veränderung zu sehen, die geradezu er­wart­bar geworden und damit vergleichsweise leicht in Alltagsroutinen ein­zu­bauen ist. Rapide, sich be­­schleu­nigende oder gar plötzliche, Erwartungs­horizonte und Routinen »sprengende« (Fun­da­mental?)­Transformationen und (Struk­tur?)­­Brü­che, exponentiale Dynamiken entlang nicht-linearer Ver­­­­laufsbahnen, Katastrophen und Revo­lu­tionen werden dagegen seltener the­ma­tisiert oder an benachbarte Disziplinen (wie die Wirtschafts-, die Ge­schichts- oder die Politik­wissen­­schaf­­ten) delegiert: Im Rahmen der gän­gi­gen soziologischen Wissenschafts- und Kar­rie­reroutinen scheint eine Be­schäf­­tigung mit Fällen und Formen kras­sen sozialen Wandels (Lars Clau­sen), mit unklaren Verhältnissen und offenen Situationen meist zu riskant. 

Demgegenüber ist die jüngere Gesellschaftsgeschichte geradezu geprägt von rasanten, radi­ka­­len und unvorhersehbaren Veränderungen: Sei es die sich von einer Technikgeneration zur näch­sten beschleunigende, zugleich je­doch immer schneller an Sättigungsgrenzen stoßen­de Ausbreitung tech­nischer Innovationen und neuer Produkte; sei es die ? auch dadurch mit­ge­formte ? (Ausbreitungs?)­Ge­schwindigkeit öko­nomi­scher wie ökologischer Ri­siken und Bedrohungen; oder seien es die manchmal überraschend schnel­len und erstaunlich tiefgreifenden poli­ti­schen Reaktio­nen darauf (z.B. »Energiewende« in Deutschland).

Offen ist dabei, ob die Soziologie für die Analyse solcher Geschehnisse auf ihr bisheriges theoretisches Instrumentarium zurückgreifen kann, oder ob man ihr einen eingebauten Hang zum »theoretischen Gradualismus« vor­­halten muss, der disruptiven sozialen Wandel nicht oder nur ver­fäl­schend einzufangen vermag. Gefordert sind daher theo­­retisch fundierte und mög­lichst empirisch gesättigte Auseinandersetzungen mit rapiden und/oder ra­di­ka­len Veränderungen, die das Risiko eines »Neudenkens« so­zia­len Wandels in modernen Gesellschaften nicht scheuen.

Beiträge Synchronisation statt Disruption? Eine gesellschaftstheoretische Folgenabschätzung kollaborativer Transformationsforschung
Tanja Bogusz (Berlin), Martin Reinhart (Berlin)
Stabilisierende Dynamik. Zur Paradoxie der modernen Gesellschaft
Uwe Krähnke (Leipzig)
Wandel in der selbstorganisiert-kritikalen Weltrisikogesellschaft. Das Beispiel des transnationalen Terrorismus
Thomas Kron (Aachen)
Die Ordnung der Dramatisierung ? disruptiver sozialer Wandel im Licht soziologischer Zeitdiagnostik
Oliver Dimbath (Augsburg)
Organisation Martina Löw (Berlin), Hartmut Rosa (Jena)
Raum HS 5
Uhrzeit 9.00 - 12.00

Plenum III - Soziologie der Krise (Donnerstag, 09.10.2014)

Das weitgehende Fehlen systematischer Arbeit am Krisenbegriff führt zu Zweifeln an der Trennschärfe und dem analytischen Zugewinn seiner so­zio­­lo­gischen Verwendung. Die Beiträge des Plenums sollen auf die Kon­tu­rie­­rung einer »Soziologie der Krise« hinarbeiten, wobei sowohl theo­retisch-kon­­zeptionelle als auch vor allem empirisch-komparativ an­ge­legte Arbeiten zu folgenden Themenkomplexen von Interesse sind: (a) Die Ent­wicklung von Kriterien zur soziologischen Verwendung des Krisen­be­griffs, die u.a. ? ausgehend von Krise als Selbstbeschreibungskonzept der Mo­derne ? über Analysen semantischer Zusammenhänge zu anderen ty­pisch mo­der­nen Begriffen (Entwicklungs-, Fortschritts-, Be­dro­hungs­se­man­ti­ken etc.), Ge­­­genbegriffen zu Krise (wie Alltäglichkeit, Routine, Stabilität etc.) und den mit diesen einhergehenden Bedeutungsverschiebungen zu ge­win­nen wä­ren. (b) Die Abgrenzung des Krisenbegriffs von Begriffen wie je­nen der Ka­tastrophe, der gesellschaftlichen Paradoxien, der sozialen Wi­der­sprüche, der Ambivalenzen, der gesellschaftlichen Dialektik, des Risikos oder der Ne­­benfolgenproblematik. (c) Methodologische Reflexionen über den heu­ris­tischen Wert des Krisenbegriffs für theoretische wie empirische For­schung. Damit verbunden sind Analysen der mit dem Begriff ein­her­ge­hen­den analytischen Probleme und Herausforderungen. (d) Komparative Ana­ly­­sen von Krisen, die es ermöglichen, unterschiedliche Typen, Grade, Schwel­lenwerte und Verlaufsmuster von Krisen ? und damit den Krisen­be­griff insgesamt ? empirisch begründet zu differenzieren.

Beiträge Krise und Kritik in soziologischer Perspektive
Frank Welz (Innsbruck)
Europäische Krisen und ihre politische Perzeption
Jenny Preunkert (Leipzig)
Handeln in der Krise: Risikokulturen in Europa
Kerstin Dressel (München), Patricia Pfeil (München)
Organisation Eva Barlösius (Hannover), Wolfgang Bonß (München)
Raum HS 3
Uhrzeit 9.00 - 12.00

Plenum IV - Krise (in) der Öffentlichkeit (Dienstag, 07.10.2014)

Der öffentliche Raum als Ort der diskursiven Selbstverständigung ver­han­delt derzeit multiple Szenarien als Krisenphänomene: Drohende Staats­in­sol­venzen, sinkende Energiereserven, schrumpfendes Vertrauen in Ent­schei­dungsträger oder (hoch-)schulpolitische Problemlagen werden jeweils als Finanz-, Energie-, Vertrauens- oder Bildungskrise gedeutet. »Krise« ist dem­nach ein gängiger Modus der gesellschaftlichen Selbst- und Fremd­the­ma­tisierung und als mediale Zuschreibung omnipräsent. Dies betrifft auch die Öffentlichkeit selbst, die von den um sich greifenden Krisendiagnosen nicht ausgeschlossen ist. Der öffentliche Raum, so die Kritik, erfahre eine um­­fassende Depolitisierung, Kommerzialisierung und Stratifizierung, was Selbst­verständigungsdiskurse und politische Deliberation unterwandere. Selbst die seit Mitte der 1990er Jahre kursierenden Annahmen zum Demo­kra­­ti­sie­rungspotenzial des Internets sind zwischenzeitlich pessimistischeren Deu­­tungen gewichen, welche die staatliche Online-Überwachung, die kom­mer­zielle Datennutzung, internetgetriebene Skandalisierungen oder die Grenz­verschiebung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit fokussieren. Ge­genstand des Plenums sind Analysen der öffentlichen Diskussion spe­zi­fi­­scher Krisen, Untersuchungen der medialen Krisendarstellung, Arbeiten zum deliberativen Potenzial neuer Medien, zum Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit und der Gangbarkeit der »Raum«-Metaphorik des Öf­fent­lichen sowie allgemeine und konzeptionelle Reflexionen zur Kri­sen­haf­tig- bzw. Funktionsfähigkeit der Öffentlichkeit.

Beiträge Die Normalisierung von Krisen in der Öffentlichkeit als Krise der Öffentlichkeit. Das Beispiel der Rechtsextremismus-Debatten
Marek Czyzewski (Lodz/?ód?)
Experimente in #Neuland. Krisendiskurse und gesellschaftliche Dynamiken neuer Medien im Spiegel politischer Öffentlichkeit
Florian Süssenguth (München)
Der NSA-Skandal als Krise der Demokratie? Selbstreflexionen der Öffentlichkeit in der Privacy-Arena
Jörn Lamla (Kassel), Carsten Ochs (Kassel)
Krise der Privatheit: Zur Dialektik von Privatheit und Öffentlichkeit im Informationskapitalismus
Sebastian Sevignani (Jena)
Öffentlichkeit durch Unterhaltung: Krise der Öffentlichkeit oder Herausforderungen der Öffentlichkeitstheorie?
Udo Göttlich (Friedrichshafen)
Film als Krisenmedium. Die Verarbeitung sozialer Krisenerfahrungen im Medium fiktionaler Narrative
Jörn Ahrens (Gießen)
Organisation Kornelia Hahn (Salzburg), Andreas Langenohl (Gießen)
Raum HS 5
Uhrzeit 9.00 - 12.00

Plenum V - Die Eurokrise: Herausforderung der Moderne (Mittwoch, 08.10.2014)

Die gemeinsame Europäische Währung stellt den bisher tiefsten Eingriff in die nationale Souveränität und individuellen Lebensverhältnisse der Euro­mit­glieder und darüber hinaus dar. Sie setzt Politik unter einen davor nicht ge­­kannten Zugzwang. Krise und Kriseninterpretationen im Euroraum spre­chen dafür, dass es sich tatsächlich um eine Entscheidungssituation han­delt. Setzt sich in der Eurokrise die Moderne über den Nationalstaat hin­aus durch? Oder droht der Verlust einer ihrer zentralen Gehalte: die Idee gesellschaftlicher Selbstgestaltung? Einerseits hat die Eurokrise das De­mokratiedefizit der EU offensichtlich gemacht, und die Dominanz der na­tionalstaatlichen Exekutiven im Eurokrisenmanagement hat es noch ver­stärkt, andererseits bewirkt die Krise einen Schub konflikthafter euro­pä­ischer Gesellschaftsbildung.

Beiträge Zum Einfluss transnationaler Netzwerkeinbindung europäischer Bürger auf Einstellungen zur Finanzhilfe in zwei europäischen Ländern
Julia Häuberer (Hamburg)
Eurokrisen als Entdeckungsverfahren. Die Politisierung europäischer Vergesellschaftungsprozesse
Martin Heidenreich (Oldenburg)
Geldvertrauen ? Geldmisstrauen ? Geldfatalismus. Anmerkungen zur Eurokrise
Klaus Kraemer (Graz)
Podiumsdiskussion Gast: Fritz W. Scharpf (MPIfG Köln)
Organisation Andrea Maurer (Trier), Maurizio Bach (Passau)
Raum HS 3
Uhrzeit 9.00 - 12.00

Plenum VI - Akteure (in) der Krise (Donnerstag, 09.10.2014)

Die Zunahme von Orientierungs- und Sinnkrisen des modernen Menschen ist ein wiederkehrender zeitdiagnostischer Befund. Als Ursachen hierfür wer­den individuelle Verunsicherungen und Zerrissenheiten ausgemacht, die mit gesellschaftlichen Metaprozessen wie Individualisierung, Plura­li­sie­rung, Optionalisierung, Mediatisierung und allgegenwärtiger Be­schleu­ni­gung einhergehen. Unter Zugrundelegung eines hand­lungs­theo­re­ti­schen Ver­­­ständnisses von Krise als einem relevanten, d.h. existentiell be­deut­sa­men Problem, für das keine (Routine-)Lösungen bereitstehen, ge­ra­ten (sub­jektive) Krisenerfahrungen, körperliche und hand­lungs­be­zogene Kri­sen-Manifestationen sowie diesbezügliche Ver­ar­bei­tungs­pra­xen bis hin zu Hand­lungsinnovationen in den Blick, mit denen individuelle Ak­­teure Kri­sen zu bewältigen und Normalität herzustellen suchen. Dabei wer­den aber nicht nur bei individuellen, sondern auch korporativen Akteuren (Me­dien, Be­­trieben, Universitäten, bürokratischen Organisationen usw.) und In­­sti­tu­ti­onen (z.B. Ehe, Familie, Kunst, Kirche, Recht) Krisen di­agnos­ti­ziert. Hiermit werden Probleme des Systemvertrauens, der Legiti­ma­tion, Glaub­­wür­digkeit bzw. Akzeptanz auf den Plan gerufen.

Anhand theo­re­tisch und em­pirisch gesättigter Arbeiten sollen in diesem Plenum Akteure in der Krise und deren Strategien der Bewältigung iden­ti­fi­ziert wer­­den. Beiträge zu diesem Plenum fragen aber auch nach indi­vi­duel­len und kor­porativen Akteuren, die an der Konstruktion von Krisen be­tei­ligt sind, d.h. diese (in der Regel für andere) identifizieren und Angebote für deren Be­­wältigung entwickeln und bereitstellen. Wer sind die Han­deln­den einer Krise? Wem wird so genannte »Krisenexpertise« zugerechnet? Wer verfügt über die Deutungsmacht, etwas aufgrund welcher Wissens­be­stän­de und Zu­­­schreibungen als »Krise« auszurufen? Inwiefern unter­schei­den sich Kri­sen­­­deutungen von (politischen, ökonomischen, kulturellen) Eli­ten auf der einen Seite von denen des gesellschaftlichen Diskurses (der ?öf­fent­lichen Mei­­­nung?) auf der anderen Seite? Mit Beiträgen zu Akteuren der Krise soll zu­gleich der Gehalt von Krisendiagnosen kritisch beleuchtet wer­den.

Beiträge Nichts als Coping: Die Lebensführung der Mittelschichten auf dem Weg in den Sub-Inkrementalismus?
Uwe Schimank (Bremen)
Akteure (in) der Krise: Hochqualifizierte ? Krise zwischen Frist und Plan
Nadine Sander (Lüneburg)
Schwanger! Eine biografische und theoretische Krise
Stefan Hirschauer (Mainz)
Krise ohne Ende? Krisen-Trajektorien und Krisen-Netzwerke chronisch Erkrankter
Rainer Schützeichel (Bielefeld)
Akteure (vor) der finalen Krise: Patientenverfügungen als symbolische Krisenbewältigung
Kai Brauer (Feldkirchen); Larissa Pfaller (Erlangen)
Organisation Maximilliane Wilkesmann (Dortmund), Ronald Hitzler (Dortmund)
Raum HS 5
Uhrzeit 9.00 - 12.00

Plenum VII - Die Zukunft der Zukunft: Zeitstrukturen und Zeithandeln im Wandel (Dienstag, 07.10.2014)

Wir leben in paradoxen Zeiten gleichzeitiger Aufwertung und Abwertung der Zukunft. Auf der einen Seite spielen in gesellschaftlichen Diskursen über Nachhaltigkeit, Bildungschancen oder Altersvorsorge Vorstellungen von der Qualität zukünftigen, individuellen wie kollektiven Lebens und Zu­sammenlebens eine wesentliche motivierende Rolle. Auf der anderen Sei­te stellen gesellschaftliche Strukturentwicklungen wie der übermäßige und immer weiter wachsende Ressourcenverbrauch, die massenhaft aus­blei­bende oder allenfalls prekäre Einmündung jüngerer Alterskohorten in den Arbeitsmarkt sowie der Rückbau öffentlicher sozialer Siche­rungs­systeme und die Grenzen der Wachstumsgesellschaft eben diese ? mehr oder weniger langfristig orientierten ? Vorstellungen einer ?besseren? Zu­kunft tendenziell in Frage. Das Plenum fragt nach den Krisen der Zukunft, nach dem Spannungsverhältnis von Zukunfts- und Gegenwartsbezug so­zia­len Handelns und nach den Grenzen eines gegenwärtigen Zugriffs auf zu­künftige Gegenwarten auf drei Ebenen. Auf der Ebene der Individuen geht es um Fragen veränderter Zeit- und insbesondere Zu­kunfts­per­spek­ti­ven im Zeichen krisenhaften sozialen Wandels ? im Jugend- wie im höheren Alter, in ?traditionellen? wie in ?avantgardistischen? Sozialmilieus. Auf der Ebene von Organisationen ist von Interesse, welche ? in Bildung, Wirt­schaft oder Politik spezifischen ? institutionellen Umgangsformen mit der Zukunft hier an der Tagesordnung sind. Und auf der Ebene ge­sell­schaft­lichen Strukturwandels und sozialer (und auch soziologischer) Dis­kur­se soll die Frage verhandelt werden, in welcher Weise ? als Chance oder als Bedrohung ? Zukunft gerahmt wird, inwiefern im Namen der Zukunft mit der Vergangenheit gebrochen wird und ob es ein gesellschaftliches Be­wusst­sein für die Zukunftsszenarien vergangener Gegenwarten gibt.

Beiträge Begrüßung und kurze Einführung
Sighard Neckel (Frankfurt am Main), Nadine Schöneck-Voß (Bremen)
Fiktionale Erwartungen und kapitalistische Dynamik
Jens Beckert (Köln)
Geht der Mittelschicht die Zukunft aus? Bedingungen und Konsequenzen von Zeitorientierungen im Wandel
Nicole Burzan (Dortmund)
Im Zukunftsfieber. Zur Zeitstrukturierung der Technowissenschaftskultur am Fall der digitalen Fabrikation
Sascha Dickel (München)
Allgegenwärtige Potentialität. Zukunftsträchtigkeit als gesellschaftliche Formgeberin unserer Zeit
Denis Hänzi (Darmstadt)
Organisation Nadine Schöneck-Voß (Bremen), Sighard Neckel (Frankfurt am Main)
Raum HS 6
Uhrzeit 9.00 - 12.00

Plenum VIII - Krisenfeste Individuen? Zur Relevanz und Kritik normativer Subjektperspektiven (Mittwoch, 08.10.2014)

Individuelle Autonomie und Handlungsfähigkeit gelten in der Soziologie als positive Bezugspunkte für gelungene Biographien. Krisen werden vor die­sem Hintergrund mit Blick auf den Verlust dieser Fähigkeiten thema­ti­siert, der seinerseits zumeist auf strukturelle (z.B. institutionelle) Re­strik­tio­nen zurückgeführt wird. Nun ließe sich jedoch angesichts der jüngeren Pre­karisierungs- und Prekaritätsdiagnosen wie den sich anschließenden theo­retischen und empirischen Debatten fragen, ob das Leitmotiv größt­mög­licher individueller Autonomie normativ, empirisch und heuristisch über­haupt trägt. Wäre nicht z.B. die Figur des »post-souveränen Subjekts« (Judith Butler) plausibler, um die aktuellen Dynamiken im Verhältnis zwi­schen der subjektiven und der Ebene der sozialen Strukturen zu unter­su­chen? Läuft aber andererseits diese Vorstellung nicht Gefahr, empirische Un­­­gleich­heits­ver­hältnisse zu entproblematisieren oder gar zu romanti­sie­ren?

Eine kritische Revision der normativen Subjektvorstellungen der So­zio­lo­gie, wie sie das Plenum zu leisten sucht, ermöglicht eine Diskussion da­rüber, was als ?biographische Krise? gilt und wie diese begrifflich gefasst wer­den kann ? und auch darüber, wie sich die soziologische Forschung zu den gesellschaftlichen Krisendiskursen und den entsprechenden sozial­tech­no­logischen Therapien (Stichwort Resilienz z.B.) verhält.

Beiträge Krise der Mitmenschlichkeit oder: Wie selbst-bewusst muss "Meinesgleichen" sein?
Ronald Hitzler (Dortmund)
Postheroisches Individuum ? überfordertes Individuum. Konzeptionelle Anmerkungen
Anna Henkel (Oldenburg)
Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist... Milieuspezifische Subjektkonstruktionen und die Bewältigung erwerbsbiographischer Krisen
Kornelia Koppetsch (Darmstadt), Sarah Speck (Darmstadt)
Risikoäquivalenz und begrenzte Autonomiegewinne. Zur Wirksamkeit normativer Assistenzstrukturen
Stefan Selke (Furtwangen)
Organisation Elisabeth Tuider (Kassel), Ulrich Bröckling (Freiburg)
Raum HS 6
Uhrzeit 9.00 - 12.00

Plenum IX - Die Krisen des Mittel-Maßes (Donnerstag, 09.10.2014)

Die Mitte zu finden galt dem traditionalen Denken als Ausdruck von Tu­gend. Hybris (»Selbstüberhebung«) kam vor dem Fall. Im Zuge der Ent­wick­lung des modernen Weltbildes dagegen hat das Mittel-Maß eine radi­ka­le Abwertung erfahren. Mittel-Maß wurde zur Vorstufe des Abstiegs. His­to­risch früh manifestiert sich der Abstieg des Mittel-Maßes im Geniekult und in der Hochschätzung des Neuen, vor allem in Wissenschaft und Kunst. In der Gegenwart hat der Begriff Mittel-Maß eine stark pejorative Bedeutung. Die Mitte der Gesellschaft ist sozial und ökonomisch unter Druck geraten. Die Gesellschaftsbeobachtung ist auf Extremwerte, einerseits auf »Ori­gi­na­li­tät« und »Exzellenz«, andererseits auf »Versagen« und »Problem« ein­ge­stellt. Was sind die Ursachen solcher Prozesse und welche Ge­gen­be­we­gun­gen gibt es? Und wie wirkt die Krise des Mittel-Maßes auf die Extremwerte; was passiert mit Exzellenz und Versagen, wenn das Mittel-Maß ver­schwin­det?

Beiträge Mittelschicht ohne Mittelmaß ? Bedingungen und Perspektiven einer klassenkulturellen Emanzipation der Mittelschicht
Olaf Groh-Samberg (Bremen)
Exzellenz statt Mittelmaß. Zur Karriere eines Leitbegriffs der Gegenwart
Tobias Peter (Freiburg)
Kreative Zerstörung als Rückkehr genialer Gewöhnlichkeit: LEGO, die Kulturtragödie der Exzellenz und die Expropriation des Brickolariats
Matthias Varul (Exeter)
Organisation Anne Waldschmidt (Köln), Hans-Georg Soeffner (Essen)
Raum HS 6
Uhrzeit 9.00 - 12.00

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