Plenarveranstaltungen

Donnerstag, 09.10.2014

 

 

Plenum III - Soziologie der Krise

Das weitgehende Fehlen systematischer Arbeit am Krisenbegriff führt zu Zweifeln an der Trennschärfe und dem analytischen Zugewinn seiner so­zio­­lo­gischen Verwendung. Die Beiträge des Plenums sollen auf die Kon­tu­rie­­rung einer »Soziologie der Krise« hinarbeiten, wobei sowohl theo­retisch-kon­­zeptionelle als auch vor allem empirisch-komparativ an­ge­legte Arbeiten zu folgenden Themenkomplexen von Interesse sind: (a) Die Ent­wicklung von Kriterien zur soziologischen Verwendung des Krisen­be­griffs, die u.a. ? ausgehend von Krise als Selbstbeschreibungskonzept der Mo­derne ? über Analysen semantischer Zusammenhänge zu anderen ty­pisch mo­der­nen Begriffen (Entwicklungs-, Fortschritts-, Be­dro­hungs­se­man­ti­ken etc.), Ge­­­genbegriffen zu Krise (wie Alltäglichkeit, Routine, Stabilität etc.) und den mit diesen einhergehenden Bedeutungsverschiebungen zu ge­win­nen wä­ren. (b) Die Abgrenzung des Krisenbegriffs von Begriffen wie je­nen der Ka­tastrophe, der gesellschaftlichen Paradoxien, der sozialen Wi­der­sprüche, der Ambivalenzen, der gesellschaftlichen Dialektik, des Risikos oder der Ne­­benfolgenproblematik. (c) Methodologische Reflexionen über den heu­ris­tischen Wert des Krisenbegriffs für theoretische wie empirische For­schung. Damit verbunden sind Analysen der mit dem Begriff ein­her­ge­hen­den analytischen Probleme und Herausforderungen. (d) Komparative Ana­ly­­sen von Krisen, die es ermöglichen, unterschiedliche Typen, Grade, Schwel­lenwerte und Verlaufsmuster von Krisen ? und damit den Krisen­be­griff insgesamt ? empirisch begründet zu differenzieren.

Beiträge Krise und Kritik in soziologischer Perspektive
Frank Welz (Innsbruck)
Europäische Krisen und ihre politische Perzeption
Jenny Preunkert (Leipzig)
Handeln in der Krise: Risikokulturen in Europa
Kerstin Dressel (München), Patricia Pfeil (München)
Organisation Eva Barlösius (Hannover), Wolfgang Bonß (München)
Raum HS 3
Uhrzeit 9.00 - 12.00

Plenum VI - Akteure (in) der Krise

Die Zunahme von Orientierungs- und Sinnkrisen des modernen Menschen ist ein wiederkehrender zeitdiagnostischer Befund. Als Ursachen hierfür wer­den individuelle Verunsicherungen und Zerrissenheiten ausgemacht, die mit gesellschaftlichen Metaprozessen wie Individualisierung, Plura­li­sie­rung, Optionalisierung, Mediatisierung und allgegenwärtiger Be­schleu­ni­gung einhergehen. Unter Zugrundelegung eines hand­lungs­theo­re­ti­schen Ver­­­ständnisses von Krise als einem relevanten, d.h. existentiell be­deut­sa­men Problem, für das keine (Routine-)Lösungen bereitstehen, ge­ra­ten (sub­jektive) Krisenerfahrungen, körperliche und hand­lungs­be­zogene Kri­sen-Manifestationen sowie diesbezügliche Ver­ar­bei­tungs­pra­xen bis hin zu Hand­lungsinnovationen in den Blick, mit denen individuelle Ak­­teure Kri­sen zu bewältigen und Normalität herzustellen suchen. Dabei wer­den aber nicht nur bei individuellen, sondern auch korporativen Akteuren (Me­dien, Be­­trieben, Universitäten, bürokratischen Organisationen usw.) und In­­sti­tu­ti­onen (z.B. Ehe, Familie, Kunst, Kirche, Recht) Krisen di­agnos­ti­ziert. Hiermit werden Probleme des Systemvertrauens, der Legiti­ma­tion, Glaub­­wür­digkeit bzw. Akzeptanz auf den Plan gerufen.

Anhand theo­re­tisch und em­pirisch gesättigter Arbeiten sollen in diesem Plenum Akteure in der Krise und deren Strategien der Bewältigung iden­ti­fi­ziert wer­­den. Beiträge zu diesem Plenum fragen aber auch nach indi­vi­duel­len und kor­porativen Akteuren, die an der Konstruktion von Krisen be­tei­ligt sind, d.h. diese (in der Regel für andere) identifizieren und Angebote für deren Be­­wältigung entwickeln und bereitstellen. Wer sind die Han­deln­den einer Krise? Wem wird so genannte »Krisenexpertise« zugerechnet? Wer verfügt über die Deutungsmacht, etwas aufgrund welcher Wissens­be­stän­de und Zu­­­schreibungen als »Krise« auszurufen? Inwiefern unter­schei­den sich Kri­sen­­­deutungen von (politischen, ökonomischen, kulturellen) Eli­ten auf der einen Seite von denen des gesellschaftlichen Diskurses (der ?öf­fent­lichen Mei­­­nung?) auf der anderen Seite? Mit Beiträgen zu Akteuren der Krise soll zu­gleich der Gehalt von Krisendiagnosen kritisch beleuchtet wer­den.

Beiträge Nichts als Coping: Die Lebensführung der Mittelschichten auf dem Weg in den Sub-Inkrementalismus?
Uwe Schimank (Bremen)
Akteure (in) der Krise: Hochqualifizierte ? Krise zwischen Frist und Plan
Nadine Sander (Lüneburg)
Schwanger! Eine biografische und theoretische Krise
Stefan Hirschauer (Mainz)
Krise ohne Ende? Krisen-Trajektorien und Krisen-Netzwerke chronisch Erkrankter
Rainer Schützeichel (Bielefeld)
Akteure (vor) der finalen Krise: Patientenverfügungen als symbolische Krisenbewältigung
Kai Brauer (Feldkirchen); Larissa Pfaller (Erlangen)
Organisation Maximilliane Wilkesmann (Dortmund), Ronald Hitzler (Dortmund)
Raum HS 5
Uhrzeit 9.00 - 12.00

Plenum IX - Die Krisen des Mittel-Maßes

Die Mitte zu finden galt dem traditionalen Denken als Ausdruck von Tu­gend. Hybris (»Selbstüberhebung«) kam vor dem Fall. Im Zuge der Ent­wick­lung des modernen Weltbildes dagegen hat das Mittel-Maß eine radi­ka­le Abwertung erfahren. Mittel-Maß wurde zur Vorstufe des Abstiegs. His­to­risch früh manifestiert sich der Abstieg des Mittel-Maßes im Geniekult und in der Hochschätzung des Neuen, vor allem in Wissenschaft und Kunst. In der Gegenwart hat der Begriff Mittel-Maß eine stark pejorative Bedeutung. Die Mitte der Gesellschaft ist sozial und ökonomisch unter Druck geraten. Die Gesellschaftsbeobachtung ist auf Extremwerte, einerseits auf »Ori­gi­na­li­tät« und »Exzellenz«, andererseits auf »Versagen« und »Problem« ein­ge­stellt. Was sind die Ursachen solcher Prozesse und welche Ge­gen­be­we­gun­gen gibt es? Und wie wirkt die Krise des Mittel-Maßes auf die Extremwerte; was passiert mit Exzellenz und Versagen, wenn das Mittel-Maß ver­schwin­det?

Beiträge Mittelschicht ohne Mittelmaß ? Bedingungen und Perspektiven einer klassenkulturellen Emanzipation der Mittelschicht
Olaf Groh-Samberg (Bremen)
Exzellenz statt Mittelmaß. Zur Karriere eines Leitbegriffs der Gegenwart
Tobias Peter (Freiburg)
Kreative Zerstörung als Rückkehr genialer Gewöhnlichkeit: LEGO, die Kulturtragödie der Exzellenz und die Expropriation des Brickolariats
Matthias Varul (Exeter)
Organisation Anne Waldschmidt (Köln), Hans-Georg Soeffner (Essen)
Raum HS 6
Uhrzeit 9.00 - 12.00

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